reden wir über Literatur

Leihmutterschaft in der Kritik

Ich kauf mit eine Kind - Leihmutterschaft
Birgit Kelle – Ich kauf mit ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft. Foto: PW

Der Titel des Buches provoziert. Es geht um Leihmutterschaft, die oft genug als altruistischer Dienst an jenen armen Männern und Frauen verkauft wird, die leider keine Kinder zu bekommen wissen. Aber gibt es denn eine Recht auf ein Kind? Was nicht so bekannt ist, Leihmutterschaft ist ein knallhartes Geschäft. Birgit Kelle hat sich dies Business mit dem Kind genau angesehen und in all einen finstern Facetten beschrieben.

Man sollte es wissen

Dieses Buch macht schlechte Laune. Das sollte man sich gleich vorweg klarmachen. Lesen sollte man es trotzdem, denn es wird ein immer drängenderes Problem. Immer mehr Menschen wollen im zweiten Lebensjahrzehnt keine Kinder, weil sie Karriere machen oder einfach das Leben genießen wollen. Gleichgeschlechtliche Paare können keine Kinder bekommen. Reiche Frauen wollen sich die Figur nicht versauen. Alte Männer organisieren sich ein Kind für die letzte Lebensphase. Und nicht zu vergessen, auch Pädophile finden gekaufte Kinder ganz toll. Wer es nicht glauben mag, die Journalistin und Erfolgsautorin den Fall eines 38-jährigen Berliners, der sich ein Kind besorgt. Jahre später wird er wegen Besitz von Kinderpornografie für zehn Monate verurteilt. Auch der Organhandel wirft einen Blick auf die gekauften Kinder. Kinder züchten, um Ersatzteile für Erwachsene zu bekommen. Kinderfarmen ganz legal zu betreiben, alles geht.

Leihmutterschaft, die übrigens in Deutschland verboten ist, kann man ganz leicht auf Kinderwunschmessen in Auftrag geben. Birgit Kelle berichtet, wie das geht. Man kann sich alles aussuchen. Bis zum unterschriftsreifen Vertrag handelt sie es in der Recherche für das Buch aus. Sie nennt Zahlen, was es kostet. Sie beschreibt die Bedingungen des Geschäfts. Behinderte Kinder werden oft genug nicht abgenommen. Für so viel Geld will man erstklassige Ware haben.

Als würde das nicht ausreichen, ist das Geschäft mit der Leihmutterschaft auch noch ein übles Spiel mit der Gesundheit von Frauen und Kindern. Auch hier finden sich im Buch ausführliche Beschreibungen. Es fängt damit an, dass einer Frau Eizellen entnommen werden müssen. Dazu braucht es eine massive Hormonbehandlung. Die Entnahme selbst geht ebenfalls mit einem Risiko einher. Die befruchteten Eizellen werden dann einer fremden Frau eingepflanzt, die nur mit einer massiven Medikation das Kind überhaupt halten kann. Der Körper der Frau will den Fremdkörper abstoßen.

Letztendlich sind auch die Kinder höheren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Die Aderwände von Leihmutterschaftskindern sind dicker. Es besteht die Gefahr früher Arteriosklerose und anderes. Dass es psychischen Folgen hat, wenn ein Kind direkt nach der Geburt seiner Mutter weggenommen wird, versteht sich von selbst. Auch hier hat die Erfolgsautorin sorgfältig recherchiert und berichtet.

Politisch aktuell

Das Thema ist brandaktuell. Die Ampel möchte die Leihmutterschaft in Deutschland ermöglichen. Wir wissen nicht erst seit gestern, dass wir nicht alles tun sollten, was wir tun können. Insbesondere bei der menschlichen Fortpflanzung bewegen wir uns mit allen Eingriffen in sehr sensiblen Bereichen menschlichen Lebens. Auch wenn es ein Schlechte-Laune-Buch ist, ist es in jedem Falle ein wichtiges Buch, weil es schonungslos die Risiken der Leihmutterschaft und die ethischen Probleme offenlegt. Weltweit explodiert dieser schmutzige Handel mit den Kleinsten und Schwächsten unter brutaler Ausnutzung von Frauen in ärmeren Ländern.

Auch dies ist ein Problem, bei dem man sich fragt, wo denn die Feministinnen sind, wenn man sie braucht. Die Mütter, die die gekauften Kinder austragen tun das unter Einsatz ihrer Gesundheit, ihrer Fruchtbarkeit und nicht selten ihres Lebens. Völlig zu Recht brandmarkt Birgit Kelle den Widerspruch, dass Feministinnen dafür kämpfen, dass Frauen keine Gebärmaschinen sein sollen und Zugang zu freien Verhütungsmitteln und freier Abtreibung verlangen. Und dieselben Frauen sich dann im fünften oder sechsten Lebensjahrzehnt, wenn sich der dann ersehnte Kindersegen nicht mehr einstellen mag, ohne jede Hemmung an der Ausbeutung von Gebärfrauen in armen Ländern beteiligen.

Dass in diesen Kontext auch Social Egg Freezing gehört, versteht sich fast von selbst, denn einerseits ist auch hier wieder das Risiko bei Entnahme der Eier und zusätzlich das Risiko, dass ein gealterter Frauenkörper den eingepflanzten Fötus nicht mehr halten kann. Dann muss eben die Leihmutter ran.

Wie aktuell das Thema ist, zeigt sich in den aktuellen Schlagzeilen. Alle paar Tage liest man von zwei Männern, die plötzlich Papa sind, einer Milliardärin, die erkennbar ohne Schwangerschaft plötzlich Mama ist. Was nicht in den Artikeln steht, ist wie viele Versuche es brauchte, wie es der „Gebär“-mutter des Kindes geht und was die Eizellspenderin erlitten hat. Es ist ein Milliardengeschäft. Was das bedeutet, durchleuchtet Birgit Kelle in unterschiedlichen Zusammenhängen.

Wissen was Leihmutterschaft bedeutet

Es war ein versautes Wochenende, als ich das Buch gelesen hatte. Auch wenn man sich nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt hatte, konnte man ahnen, dass Leihmutterschaft ganz sicher keine gute Sache ist. Wie schlimm es wirklich ist und was alles damit verbunden ist, kann selbst hart gesottene alte Männer schocken. Wir müssen politisch entscheiden, ob wir das gesellschaftlich zulassen wollen. Weil nun niemand, der dies Buch aufmerksam gelesen hat, Leihmutterschaft auch nur noch in irgendeinem – selbst einem altruistischen Zusammenhang wie „Frau trägt Kind ihrer Schwester aus“ noch billigen. Es ist ganz klar: Leihmutterschaft muss verboten und weltweit geächtet werden. Darum: ganz klare Leseempfehlung für des Buch.

Birgit Kelle
Ich kauf mir ein Kind
Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft
Finanzbuchverlag München 2024