Personen und Erinnerungen können als Gespenster im Leben eines Menschen herumspuken. In seinem Roman „Gespenster wie wir“ thematisiert Stefan Meetschen Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen den zwei Orten Duisburg und Warschau, zwischen Kunst und Broterwerb. Und auf jeder dieser Brücken finden sie sich die Gespenster. Der Protagonist des Romans, der Regisseur Albert Simon, lebt in Polen und macht dort Werbefilme. Zu Beginn seiner Karriere hat er zwei Spielfilme gedreht. Sein Wunsch ist es, jetzt wieder einen echten Spielfilm zu drehen, der Motive aus der Vergangenheit seiner Familie aufnehmen soll. Ein Besuch in seiner alten Heimat Duisburg und die Begegnungen dort stellen die Weichen für das künftige Geschehen. Die Gespenster sind da und sie wollen ans Licht. Begegnungen in Warschau nehmen diese Dynamik auf und bringen Bewegung in sein Leben und Wirken.
Biografische Motive
Zahlreiche biografische Motive wirkt der Schriftsteller in den Roman. Stefan Meetschen lebt in Polen und stammt aus Duisburg. Er hat zwei Romane geschrieben und nun nach einer längeren Pause seinen dritten vorgelegt. Auch die Liebe spielt eine Rolle, der Protagonist wird durch die Liebe zu einer jüngeren Frau wieder mutiger und geht das Projekt gegen viele Widerstände an. Stefan Meetschen wäre nicht er selbst, würde er nicht eine ordentliche Prise Gesellschaftskritik geschickt in die Geschichte einarbeiten. Albert Simon bekommt eine Chance, Geld für sein Projekt zu verdienen und gerät in die Mühlen der Wokeness. Dabei ist der Werbefilm für ein LGBT-Denkmal, den sich der Regisseur an Land zieht, doch ebenfalls woke. Wie jede Revolution frisst auch die woke Revolution ihre Kinder. Meisterhaft erzählt Meetschen seine Romanhelden durch dieses vertrackte Labyrinth aus Verstrickungen hindurch, in denen es von Korruption über Verdächtigungen bis zu metoo an nichts mangelt.
Im Kern des Romans geht es um Verwandlungen. Das sind Entwicklungen, die gleichermaßen die Helden aber auch die Geschichte als solche durchlaufen. Albert Simon will diese Verwandlungen zeigen und findet dafür einen Begriff aus der Alchemie. Wie ein Alchemist des Mittelalters der unreines Metall zu Gold transmutieren will, zeigt Stefan Meetschen, wie eine Verwandlung durch – so der Klappentext des Buches – Zufall, Freiheit und Liebe geschieht.
Lesen in drei Zügen
Mit „Gespenster wie wir“ hat Stefan Meetschen einen Roman vorgelegt, den man nicht wieder aus der Hand legen mag. Das Lesen in drei Zügen, statt in einem Rutsch, war dem Alltag und seinen Notwendigkeiten geschuldet, nicht dem eigenen Wunsch. So konnte das Gelesene im Kopf nachwirken und machte den nächsten Abschnitt nur umso interessanter. Den Weg des Protagonisten mitzugehen, weckt auch Erinnerungen an die eigenen Gespenster, wie sie aussehen und wo sie wohnen könnten. Die Brücke Duisburg, Warschau, Mariupol ist eine Brücke, wie sie in unseren Tagen nicht aktueller sein kann und wie sie andersherum historischer kaum sein könnte. Das Buch ist ein spannender Lesegenuss von der ersten bis zur letzten Seite.
Stefan Meetschen
Gespenster wie wir
Ruhland
August 2024