Ein Sündenregister der Kirche schreiben eigentlich eher Kirchenkritiker. Die meisten dieser Sündenregister sind denkbar unergiebig, denn es handelt sich mehr oder weniger nur um Ansammlungen von Vorurteilen, Ideologien, Gerüchten, Unterstellungen und reinen Erfindungen. Mit genau diesen „Sünden“ in einer recht beliebigen Auswahl setzt sich der Autor kritisch auseinander. Die Leitfrage ist, was bleibt von diesen Sünden, wenn mal sie mit der Wirklichkeit konfrontiert.
Wer den Stil des Autors kennt, weiß um die humorige Art mit solchen Unterstellungen der Kirche umzugehen. Gar manche Glosse zu solchen Themen findet sich in seinem Blog. Manchmal packt ihn auch die schlichte Wut, denn auch Wutbeiträge finden sich im Blog. Nimmt der Autor solche Themen überhaupt ernst? Kann er wirklich ernsthaft und nüchtern darüber schreiben? Er kann! Und wie er kann.
Jeder „Sünde“, d.h. jedem Kapitel des Buches steht ein Satz voran, der die Verfehlung der Kirche kennzeichnet. „Die Kirche hat im Mittelalter jahrhundertelang weise Frauen als Hexen verfolgt und verbrannt.“ (S. 85) Damit ist doch alles gesagt. Jeder weiß, dass das so ist. Bordat konfrontiert das Vorurteil mit den Fakten. Was am Ende bleibt ist nicht einmal heiße Luft. So geht es mit dem Dogma, schauerlich, dem Zölibat, welch grausames Instrument der Unterdrückung. So arbeitet der Autor ein alphabetisches Sündenregister ab.
Das Muster ist immer wieder das Gleiche und macht das Buch fast lexikalisch verwendbar. Eine weit verbreitete These wird klar benannt und dann auf ihren Realitätsgehalt hin untersucht. Dabei schont Bordat katholische Heroen und ihre tatsächlichen Fehler nicht, macht aber sehr klar deutlich, wie sich in der Kirche die Klarheit durchsetzt. Beispielhaft ist hier der in wenigen Sätzen umschriebene Konflikt zwischen Karl dem Großen und Alkuin um die Taufe der Sachsen. (S. 154 f.) Da ist kein Schwärmer am Werk. Historisch Wahrheit bleibt auch dann wahr, wenn es für die Kirche unangenehm ist. Der Faktencheck macht das Buch so attraktiv.
Tatsächlich läßt sich ja nicht leugnen, daß sich christliche Protagonisten im Laufe der Geschichte nicht immer nur mit Ruhm bekleckert hätten. Die Kirche in ihrer Gesamtheit aber ist und bleibt sowohl heilig als auch im Besitz der Wahrheit. Und damit setzt sich die Wahrheit in der Gesamtheit auch immer wieder gegen die Fehler einzelner durch. Bordat belegt das an Beispielen und untermauert mit Fakten. Die Existenz einer objektiven Wahrheit selbst wird heute gerne geleugnet und – natürlich – auch nur wieder als ein Machtmittel der Kirche angesehen. Auf S.260 ff. legt Bordat dar, was es mit dem Wahrheitsanspruch der Kirche auf sich hat.
Wer ein Handwerkszeug sucht, sich im Alltag mit den unendlich vielen Anwürfen und Vorwürfen gegen die Kirche auseinander setzen zu können, ist mit dem vorliegenden Buch gut bedient. Literatur zum eigenen Weiterlesen gibt das Buch am Ende jeden Kapitels an. Da wünscht man manchmal, es dürfe gerne etwas mehr sein. Das spricht eher für den Autor, denn die gewählten Bücher zeigen Sachkenntnis.
Von Ablasshandel bis Zölibat. Das »Sündenregister« der Katholischen Kirche. ist ein Buch, das man immer wieder gerne mal zur Hand nimmt, um Fakten nachzulesen. Es eignet sich allerdings durchaus als Lektüre an einem Stück. Die alphabetische Gliederung hat den Vorteil, die Themen später leichter wieder zu finden. Lexikalische Verweise zwischen den Themen zeigen wie eng die Dinge miteinander verknüpft sind.
Schlussendlich ist das Buch auch für den bekennenden und praktizierenden Katholiken ein Lesegenuss, obwohl der ein solches Handbuch eigentlich nicht bräuchte. Aber als Kompendium von kirchenkritischen Thesen macht die sachlich-klare Auseinandersetzung wirklich Freude beim Lesen. Und man lernt doch immer noch dazu.
Josef Bordat.
Von Ablaßhandel bis Zölibat.
Das „Sündenregister“ der Katholischen Kirche.
Rückersdorf. Lepanto Verlag 2017